Es war einmal ...

... vor langer, langer Zeit, ungefähr zu Beginn des 13. Jahrhunderts, als Reinhardsried erstmals urkundlich erwähnt wird.

 

Das Dorf Reinhardsried liegt ca. 2,5 km nordwestlich des Pfarrsitzes Unterthingau an der Römerstraße Kempten – in einer flachen Mulde, eingeschlossen von den in den letzten Eiszeiten entstandenen Moränenhügeln. Der Siedlungsform nach ist es ein Haufendorf.

 

Aus den Akten des Klosters Isny geht hervor, dass dieses Kloster zwischen 1200 und 1250 Güter in Reinhardsried besaß.

 

Die älteste überlieferte Form des Ortsnamens ist "Reginhartesret"; dieser Name bedeutet soviel wie "Rodung des Reginhart" und weist damit auf den Gründer des Ortes hin. Reginhart stammte vermutlich aus dem Edelsgeschlecht der Ursin, der späteren Grafen und Marktgrafen von Ronsberg.

Neben dem Geschlecht der Ursin von Ronsberg, auf das wahrscheinlich die Gründung von Reinhardsried zurückgeht, ist die Herrschaft Kipfenberg von Bedeutung für die Geschichte des Ortes. Schon im 13. Jahrhundert gehörten nämlich Güter in Reinhardsried zu dieser Herrschaft.

Außerdem besaßen die Herren von Kipfenberg damals die Burg und den Weiler Aichelschwang, die Orte Hauprechts, Stockach, Schotten und Schweinlang, sowie die Güter zu Ober- und Unterthingau, Autenried, Albrechts und Kraftisried.

Die genaue Entstehungszeit Kipfenbergs ist nicht bekannt, doch dürfte der dortige Burgstall etwa aus dem 12. Jahrhundert stammen. Urkundlich wird Kipfenberg erstmals 1277 genannt, als Rudolf und Anselm von Kipfenberg den Vertrag über den Kemptener Wald als Zeugen bestätigten.



14. Jahrhundert

Bereits im Jahre 1353 verpfändeten Bertold von Kipfenberg und sein Vetter Heinrich von Kipfenberg, der in Willofs saß, die Burg Kipfenberg, die Güter zu Aichelschwang, Hauprechts, Thingau, Reinhardsried, Autenried, Albrechts, Stockach, Schotten und Kipfenberg an einen Peter Pfennig.

Die beiden lösten den Besitz aber wieder ein und teilten sich ab 1360 die ganzen Kipfenbergischen Besitzungen. Ebenfalls 1353 verkaufte Elsbeth, die Witwe des Konrad von Kipfenberg, den Maierhof zu Reinhardsried (ehemals Haus Nr. 33 "Beim Baure", heute Günzacher Str. 8) halb an das Stift Kempten.

1357 trat sie die andere Hälfte an ihren Vetter Heinrich von Kipfenberg ab. Dieser vereinigte ab 1368 die ganze Kipfenberger Herrschaft in seiner Hand, nachdem er die Anteile der Erben Konrads und die seines eigenen Bruders Hartmann erworben hatte. Heinrich lebte in kinderloser Ehe mit Katharina, der Tochter Albrechts von Narden, einer Österreicherin. Ihr vermachte er durch Schenkungen (1357, 1360 und 1375) seinen gesamten Besitz.

Nach Heinrichs Tod vermachte Katharina die Herrschaft Kipfenberg ihren Verwandten Gerwing und Wiguläus von Nordholz. Der oben erwähnte Bruder Heinrichs, Hartmann von Kipfenberg, bestätigte dieses seiner Schwägerin Katharina.

 

Noch 1358 als Besitzer der Stadtmühle zu Günzburg genannt, wird er 1406 noch einmal in einer Urkunde erwähnt. Mit Hartmann erlosch der alte Stamm des Geschlechts derer von Kipfenberg.

Die Herren von Nordholz verkauften 1390 die Herrschaft Kipfenberg an den Bürger Konrad Leutgeb von Kaufbeuren.



15. Jahrhundert

1406 vererbte er sie seinem Schwiegersohn Konrad Endorfer, dessen Kinder Konrad und Elsbeth sie im Jahre 1444 unter sich teilten. Nachdem Konrad kinderlos gestorben war, fiel die ganze Herrschaft Kipfenberg an seine Schwester Elsbeth, welche nunmehr mit Ulrich Schweickart vermählt war.

1479 kam der Besitz an dessen Kinder Ulrich, Hans, Thomas, Anna, Ursula und Barbara. Indem sie ihre Geschwister auskauften, brachten schließlich Ulrich und Hans den ganzen Besitz an sich. Nach dem Tode Ulrichs fiel er fast vollständig an Hans Schweickart. Nur eine Tochter Ulrichs, Barbara Fuchs von Fuchsenstein, behielt ihren Anteil, zu dem auch Güter in Reinhardsried gehörten.



16. Jahrhundert

Ein Nachfolger der Schweickart namens Ulrich verkaufte 1539 die Herrschaft Kipfenberg an das Fürtstift Kempten. Wie aus Urkunden des Jahres 1536 hervorgeht, war die Burg Kipfenberg zu dieser Zeit schon am Verfallen, die Urkunden sprechen von einem "zerbrochenen Burgstall".

Mit der Auflösung des Fürststiftes Kempten im Jahre 1802 kam der Weiler Kipfenberg und mit ihm alle anderen Besitzungen und Orte dann an Bayern.



Der Bauernkrieg

Von den Unruhen des Bauernkrieges der Jahre 1524/1525 blieb auch Reinhardsried nicht unberührt. So ist ein "Josef Grotz zu Büchel bei Reinhardsried" urkundlich erwähnt, der vom Kemptener Fürstabt wegen Widerstands verfolgt wurde:

"Den Grotz ergriffen sie, misshandelten nicht nur ihn, sondern auch seine Kinder und sein Weib, das in Folge davon bald starb, plünderten sein Haus gänzlich aus und warfen ihn auf der Neuenburg in das Burgverlies."



Die Vogtei Unterthingau

Ende des 15. Jahrhunderts entstand die Vogtei Unterthingau; schon 1487 ist ein Vogt zu Thingau urkundlich erwähnt. Zu dieser Vogtei gehörte seit der Erwerbung der Herrschaft Kipfenberg durch das Fürststift Kempten im Jahre 1539 auch Reinhardsried. 1642 vollzog das Fürststift Kempten die Neueinteilung seines Stiftlandes in Pflegeämter.

Seit diesem Jahr gehörten zum Pflegeamt Thingau die Orte Reinhardsried, Kraftisried, Görisried, Ober- und Unterthingau. Jeder dieser Orte erhielt seinen eigenen "Ammann" oder "Hauptmann" als Ortsvorsteher.



Die St. Anna Kapelle

Immer schon gehörte Reinhardsried zur Pfarrei Unterthingau. Die der Hl. Anna geweihte Reinhardsrieder Kapelle ist Gemeindeeigentum. Die Kirche wurde im 15./16. Jahrhundert erbaut; früher war über der Tür die angebliche Jahreszahl 1594.

Nach 1600 verlängerte man sie nach Westen; im 17./18. Jahrhundert umgestaltet, wurde die Kapelle 1948 und zuletzt 1997/98 restauriert. Bereits vor dem 2. Weltkrieg hatte sie den Choraltar erhalten, den die Altarbauer Hörmann aus Babenhausen und Haug aus Ottobeuren fertigten.



Der Kirchturm

Im Turm befinden sich drei Glocken; die Größte ist dem Hl. Sebastian geweiht und trägt die Inschrift: "Heiliger Sebastian bitte für uns. Gestiftet von Alois und Magdalena Reichardt. Mich goß Engelbert Gebhard, Kempten, 1962." Die mittlere Glocke mit der Inschrift "Heilig Pfleger I. Schmidt - B. Holdenriett, gegossen von Joseph Arnold von Dinkelsbihl 1769, St. Anna, ora pro nobis" ist der Hl. Anna geweiht. Der Hl. Maria geweiht ist die kleinste Glocke, auf der zu lesen steht: "Gegossen 1660. Umgegossen v. E. Gebhard, Kempten 1946. Hl. Maria, bitt für uns".

Neben den Glocken befindet sich im Turm der Reinhardsrieder Kapelle noch ein Uhrwerk, das im Jahre 1841 von Peter Paul Fendt in Ronried gefertigt wurde und noch bis 1998 die Zeiger der Turmuhr bewegte.



Die ehemalige Schule

Eine Schule wurde in Reinhardsried erstmals im Jahre 1712 errichtet; sie befand sich damals im Haus "Beim Hasler", ab etwa 1900 auf der jetzigen Haus-Nr. Kastanienstraße 6. 1956 erhielt der Ort einen Schulneubau, in dem noch bis 1969 alle Klassen der Volksschule unterrichtet wurden.

Seit dem Schuljahr 1969/70 ist die Reinhardsrieder Schule Teil des Schulzweckverbandes Unterthingau. Im Jahre 2010 wurde aufgrund rückläufiger Schülerzahlen das Aus für die Grundschule in Reinhardsried beschlossen. Seitdem werden die Räume vom Sportverein und für diverse Veranstaltungen genutzt.



Das Wappen

Die enge historische Verbindung der Herrschaft Kipfenberg und des Ronsberger Edelsgeschlechts der Ursin mit Reinhardsried symbolisiert sich auch im Wappen, das der Ort auf Erlass des Bayerischen Innenministeriums seit 14.08.1962 führt. Dieses Reinhardsrieder Wappen ist gespalten von Blau und Silber; vorn zeigt es einen golden gekrönten, silbernen Löwen, hinten einen schwarzen Wagenkipf über grünem Dreiberg.

Der silberne Löwe ist dem Wappen der Ursin von Ronsberg entnommen und erinnert somit an die Gründer von Reinhardsried; der Wagenkipf über grünem Dreiberg entstammt dem Siegel, das die Herren von Kipfenberg führten.



Gebietsreform

Bis zum Jahre 1978 war Reinhardsried selbständige Gemeinde mit den Ortsteilen Reinhardsried, Büchel, Kipfenberg, Landstraßer, Leimgruben, Lippenhalde und Schotten.

Mit der damals durchgeführten Gebietsreform wurde Reinhardsried Ortsteil von Unterthingau und somit in die Verwaltungsgemeinschaft Unterthingau - Kraftisried - Görisried aufgenommen.